Am Freitag, dem 18. Mai 2007, findet um 15:00 Uhr die nächste Vorlesung der Senioren-Uni Wismar auf dem Campus der Hochschule Wismar im Hörsaal 101 statt. Dr. Nils Jörn wird zum Thema „Wismar vor Gericht“ sprechen. Besonders jene, die glauben, dass Akten staubig und deren Inhalt langweilig sei, möchte er herzlich einladen, sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen.
Das Stadtarchiv Wismar beherbergt einen bisher ungehobenen Schatz von mehr als 20.000 Prozessakten. Sie stammen von den unterschiedlichsten städtischen, herzoglichen und Reichsgerichten des 14. bis 19. Jahrhunderts. Diese Akten enthalten unter anderem bisher unbekannte Informationen über Familiengeschichte und Alltagsleben, aber auch über Außenbeziehungen Wismars zu anderen Städten in Mecklenburg und Schweden. Doch nicht nur Fachleuten wie zum Beispiel Historikern soll der Zugang zu diesen Prozessakten möglich sein. Seit zwei Jahren laufen im Wismarer Stadtarchiv mehrere Projekte, die diese Akten für die Benutzung zugänglich machen. Dr. Nils Jörn gibt einen ersten Überblick über bisherige Erkenntnisse aus den Prozessakten Wismars in der Hanse- und der Schwedenzeit, erläutert, wie man selbst im Internet nach Namen und Fakten recherchieren kann und stellt einzelne Prozesse vor.
„Wenn Menschen zusammenleben, bleibt Streit nicht aus“ ist sich der Referent Dr. Nils Jörn sicher. Da er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stadtarchiv beschäftigt ist, weiß er aus seiner täglichen Arbeit, dass Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn um Grenzen oder die angemessene Nutzung von Grundstücken, um bauliche Veränderungen oder ruhestörenden Lärm so alt sind wie die Stadt Wismar selbst. Damals endeten diese Streitigkeiten häufig vor Gericht. Dort wurden sie zunächst mündlich verhandelt. Etwa seit dem 14. Jahrhundert wurden aber auch Akten gebildet, in denen man die Urteile und Argumente der Parteien nachlesen konnte. Eines der viel zitierten und immer wieder ausgestellten Dokumente ist das Verfestungsbuch mit dem Eintrag zu Klaus Störtebeker. Bauen sich auf diese wenigen Zeilen ganze Legenden auf, die in immer neuen Büchern und Ausstellungen diskutiert werden, so schlummern die meisten der etwa 20.000 Prozessakten im Stadtarchiv Wismar seit Jahrhunderten ungenutzt vor sich hin. Dabei stellen sie einen wahren Schatz für die historische und genealogische Forschung dar. Doch erst seit wenigen Jahren wird dieser Schatz durch die Verzeichnung der Akten gehoben und der Nutzung zugänglich gemacht.
In seinem Vortrag wird der 42-jährige Referent die einzelnen Bestände der städtischen Gerichte, Ratsgericht 1495-1872, Gewett, Vormundschaftsgericht, Waisengericht, Kriminalgericht, Ehegericht und Hebungsgerichte vorstellen, aber auch die über Wismar hinaus verantwortlichen Instanzen, also die Amtsgerichte Poel, Neukloster und Wismar, den Lübecker Oberhof, das Konsistorium, das Wismarer Tribunal und das Reichskammergericht. Dr. Nils Jörn wird den Fragen nachgehen , bei welcher Behörde sie entstanden sind, was man in ihnen erwarten darf, wie die Recherchemöglichkeiten und Nutzungsbedingungen im Wismarer Archiv sind. Diese Gerichtsakten liefern vielfältige Informationen zu Wismars reicher Geschichte in der Hanse-, Schweden- und Herzogszeit. Sie informieren einerseits über die Außenbeziehungen der Stadt zum Kaiser, den Königen von Schweden, Dänemark, Großbritannien oder Preußen, andererseits bergen sie zahlreiche Geheimnisse zur Familien- oder Häusergeschichte. Ganze Stammbäume werden als Beweisstücke vorgelegt, die für Familienforscher interessant sind, Besitzgeschichten von Häusern werden anhand von Kaufbriefen und Umbauplänen lebendig. Aus verschiedenen Gerichtsbeständen werden interessante Fälle vorgestellt, die zeigen, wie vielfältig die Prozessbeigaben häufig sind. Dazu gehören zum Beispiel Karten, Pläne, angebundene Tatwerkzeuge, die Beschreibung von Mühlen oder Häusern. Außerdem werden die Seniorenuni-Studenten in die Recherchemöglichkeiten im online zugänglichen Verzeichnungsprogramm ARIADNE eingewiesen. Über dieses System sind die Bestände der meisten Archive in Mecklenburg-Vorpommern erschlossen. Natürlich erhalten die Studenten auch konkrete Nutzungshinweise für das Wismarer Stadtarchiv.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte direkt an die Organisatoren der Senioren-Uni Wismar, Tel.: (03841) 753 139 bzw. E-Mail: seniorenuni@hws.hs-wismar.de. Das Programm der Seniorenuni Wismar finden Sie im Internet unter www.seniorenuni-wismar.de.